US-Haftung wegen arglistiger Täuschung bei Firmenkäufern / M&A

In Unternehmenskäufen nach amerikanischem Recht konkurrieren spätestens seit der Entscheidung des US Supreme Courts in Landreth Timber Co. v. Landreth – und zwar auch beim Verkauf nicht börsennotierter Unternehmen – die Lehren der arglistigen Täuschung nach Landesrecht mit den börsenrechtlichen Vorschriften, insbesondere Rule 10b-5. Es gibt zahlreiche Unterschiede zwischen den Lehren von „Misrepresentation“ und „Fraud“ nach Landesrecht und Ru1e 10b- 5 sowohl auf der Tatbestandseite als auch bei den Rechtsfolgen und der örtlichen und sachlichen Gerichtsbarkeit. Die börsenrechtlichen Ansprüche können immer gemäß 28 U.S.C. § 1331 vor den Bundesgerichten geltend gemacht werden. Das kann taktisch eine wichtige Rolle spielen, denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Landesgerichte am Sitz des Beklagten unparteiisch sind. Des Weiteren wendet die Lehre der Fraud und Misrepresentation im für M&A wichtigen Fall des Verschwei­gens einer wesentlichen Tatsache einen anderen Maßstab an. Im Börsenrecht gilt der Grundsatz „disclose or refrain“. Die Partei, die von einer der anderen Partei unbekannten wesentlichen Tatsache weiß, hat diese offenzulegen oder vom Handel abzusehen. In den Lehren von Fraud und Misrepresentation in den meisten Bundesstaaten gibt es hingegen keine generelle Pflicht eines Käufers oder Verkäufers, wesentlichen Wert bildende Tatsachen offenzulegen. Dem Risiko, nach Rule 10b-5 für Information außerhalb der vertraglichen Zusicherungen zu haften, probieren einige Verkäufer mit einer so genannten „non-reliance“ Klausel im Unternehmenskaufvertrag zu begegnen. Demnach erklärt der Käufer, keine Ansprüche aus Verschweigen wesentlicher Tatsachen geltend zu machen, die nicht im Garantiekatalog aufgenommen wurden.

Gemäß einer empirischen Studie des Market Trends Subcommittee von der American Bar Association vom 8.8.2008 wird diese Klausel in 41 % der untersuchten Verträge aufgenommen. Umgekehrt fordern Käufer just eine Erklärung im Garantiekatalog, die den Wortlaut von 10b-5 wiederholt und zusichert, dass keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen wurden. 62% der untersuchten Unternehmenskaufverträge hatten diese Klausel. Dass zwangsläufig zumindest einige Verträge beide Klauseln enthielten, ist ein sicheres Zeichen, dass die betroffenen Anwälte nicht mit den komplizierten Vertragsmustern umzugehen wussten, denn es ist offensichtlich, dass sich die bei den Klauseln widersprechen.

Am 2. Oktober 2008 hat der u. a. für New York zuständige Second Circuit Court of Appeals in Vacold LLC v. Cerami, eine Entscheidung zu einem Unternehmenskauf ohne non-reliance Klausel und ebenfalls ohne 10b-5 Garantie im Garantiekatalog gefällt. Der Grund für die fehlenden Klauseln lag wohl darin, dass die Parteien zur fraglichen Zeit eine Art Vorvertrag abgeschlossen hatten, der den späteren Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags vorsah. Der Vorvertrag hatte – wie nicht anders zu erwarten – weder einen Garantiekatalog noch eine non-reliance Klausel. Der Käufer, der bessere Informationen über das Zielunternehmen hatte als der Verkäufer, hatte wesentliche Informationen über das Unternehmen verschwiegen.

Die Verkäufer hielten das Unternehmen für ein schlecht finanziertes Unternehmen, das bald den Betrieb einstellen wird, wenn nicht weitere Finanzierung aufgebracht wird. In Wirklichkeit hatte das Unternehmen einen Lizenzvertrag im Wert von mehreren Millionen Dollar mit einem einem führenden Pharmakonzern abgeschlossen. Der Second Circuit Court of Appeals setzt den Trend fort, die börsenrechtliche Haftung sehr einschränkend auszulegen, es sei denn, die Parteien nehmen sie ausdrücklich im Kaufvertrag auf. Der Zeitpunkt des Abschlusses des Vorvertrags sei für die Haftung gem. 10b-5 ausschlaggebend und auf die Veränderung vor der Übertragung käme es nicht darauf an. Die Entscheidung unterstreicht die erhöhte Wichtigkeit des Garantiekatalogs im Allgemeinen und insbesondere die Wich­tigkeit der in der Mehrheit der Fälle im Garantiekatalog enthaltenen 10b-5 Garantie, nicht nur für den Käufer, sondern in Fällen, wo der Käufer eine informationelle Überlegenheit hat, gerade für den Käufer.

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