US-Juristensprache / American Legalese

Wer sich über teilweise umständliche deutsche Juristensprache beschwert, der wird nach Lektüre von Vertragsdokumenten aus dem angelsächsischen Rechtskreis vermutlich anders darüber denken. Der Hang zu Länge und Breite in z.B. US-Verträgen lässt sich bis in die Wahl der Wörter und Begriffe hinein verfolgen. Dabei geht es nicht lediglich um das allgemeine, offenbar in allen Rechtsordnungen bekannte Phänomen der unschönen, weitschweifigen und hölzernen Juristensprache, sondern um ein Spezifikum des Rechtsenglischen.  Jedem im internationalen Recht Tätigen oder demjenigen, der sich in der Geschäftsleitung mit derartigen Verträgen zu befassen hat, sind Formulierungen wie „goods and chattels“, „fit and proper“ oder „save and except“ geläufig. Man könnte vermuten, dass diese Redundanzen auf die soeben dargelegten Auslegungsgrundsätze zurückzuführen sind.

Die Dopplung wäre dann erforderlich, um das Gemeinte sozusagen von allen Seiten zu bezeichnen und damit jeden noch so leisen Zweifel auszuschließen. Doch der wahre Grund für diese Dopplungen wurzelt nicht im Vertragsrecht, sondern in der frühen Rechtsgeschichte: Vor der Eroberung Englands durch die Normannen im Jahre 1066 war neben dem Latein die englische Sprache im Rechtsleben vorherrschend. Mit den normannischen Eindringlingen trat die französische Sprache hinzu.

Da aber nur die Wenigsten mit beiden (Rechts-) Sprachen hinreichend vertraut waren, entwickelten die mittelalterlichen Juristen jene Dopplungen, deren erste (goods, fit, save) dem Englischen und deren zweite (chattels, proper, except) dem Französischen entstammt. Bei der Formulierung „give, devise and bequeath“ stammen die erste und die dritte Bezeichnung aus dem Englischen, die zweite hingegen aus dem Französischen. Auch „peace and quiet“ verbindet Französisch mit Latein, während „will and testament“ Englisch mit Latein kombiniert.

Die über Jahrhunderte und Kontinente eingefahrene Kautelarpraxis ist allerdings äußerst widerstandsfähig und sieht natürlich keine Veranlassung, sich von diesen unnötigen und in der Masse für den Vertragsumfang durchaus erheblichen Verdopplungen zu trennen. Wir werden also  in unserer täglichen US.bezogenen Arbeit auch weiterhin mit American Legalese zu arbeiten haben, und wir hoffen, dass obige Erläuterungen des „warum“ bei Ihnen das Verständnis hierfür geschaffen hat. In der nächsten News werden wir Ihnen noch weiter Eigenheiten des US.Vertragswesens darstellen.

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