Nachgelagerte Produktbeobachtungspflicht des Herstellers (beispielhaft New York)
Deutsche Unternehmen, die entweder direkt oder über ihre US-Tochtergesellschaft den US-Markt beliefern, müssen sich mit der nachfolgend zusammengefassten Thematik aus dem US-Produkthaftungsrecht auseinandersetzen, da Nichtkenntnis oder Verstöße hiergegen bei Unfällen, bei denen Menschen verletzt werden, zu kostspieligen US-Gerichtsverfahren führen können.
Im Bundesstaat New York bemisst sich die Frage des Umfangs einer nachgelagerten Produktbeobachtungspflicht des Herstellers anhand einer Reihe von Faktoren, zu welchen insbesondere
1. der Grad der Gefährdung, die vom Produkt ausgeht,
2. die Anzahl von Unfällen die dem Hersteller nach Verkauf des Produkts bekannt geworden sind,
3. die Möglichkeit des Herstellers und die Zumutbarkeit für den Hersteller, die Käufer der ausgelieferten Produkte nachträglich ermitteln zu können und
4. die Beachtung der Weiterentwicklungen des allgemeinen, produktbezogenen Standards („State of the Art“)
gehören. Nach Ansicht der Gerichte im Bundesstaat New York resultiert eine „nachgelagerte“ Produktbeobachtungspflicht des Herstellers im Grundsatz aus der Tatsache, dass der Hersteller in einer „einzigartigen und überlegenen“ Position sei, dem Gebrauch und der Handhabung seiner Produkte folgen zu können. Verglichen mit der Position von Käufern und Benutzern der Produkte verfüge der Hersteller über die beste Ausgangslage, Kenntnis von zeitlich nach dem Inverkehrbringen des Produkts bekannt werdenden Risiken („post sale defects or dangers discovered in use“) zu erhalten.
Eine „post sale duty to warn“ des Herstellers, so New Yorker Gerichte, erwachse insbesondere dann, wenn ein Hersteller nach der Herstellung oder dem Verkauf des Produkts durch Verbesserung des allgemeinen, produktbezogenen Standards, welchen die Hersteller zu beachten haben („advancements in the state of the art, with which manufacturers are expected to stay abreast“) oder aufgrund aufgetretener Unfälle („post-sale accidents“) Kenntnis davon erhält, dass von seinem Produkt Gefahren für Benutzer ausgehen..
„Post sale accidents“ können dann eine „post sale duty to warn“ des Herstellers auslösen, wenn der Hersteller hinreichende Kenntnis von nach Inverkehrbringen des Produkts aufgetretenen Unfällen (Anzahl der gemeldeten Vorfälle und Grad der vom Produkt ausgehenden Gefahren) erhält.
New Yorker Gerichte scheinen zwar eher zurückhaltend von einer „post-sale duty to warn“ des Herstellers auszugehen, wenn die nach Verkauf des Produkts aufgetretenen Unfälle unregelmäßig auftreten und es unwahrscheinlich erscheint, dass durch die aufgetretene Gefahr ein erheblicher Schaden (“substantial harm“) verursacht wird.
Allerdings geht einschlägige Rechtsprechung im Bundesstaat New York vom Bestehen einer solchen „post sale duty to warn“ des Herstellers aus, wenn Unfälle mit schweren Personenschäden („serious personal injury“ aufgetreten sind, selbst wenn solche Unfälle nur unregelmäßig aufgetreten sind oder einen Einzelfall darstellen. („even if infrequent or singular“).
Bei Unfällen ist Ausgangpunkt der Prüfung ist zunächst, ob die vom Hersteller verwendeten Warnhinweise den Anforderungen des zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts geltenden „State of the Art“-Standards genügten.
Ein Hersteller hat grundsätzlich gegenüber einem für ihn vorhersehbaren Benutzer seines Produktes eine Warnpflicht in Bezug auf mögliche Risiken beim Gebrauch des Produktes. Die Warnpflicht des Herstellers bezieht sich dabei nicht nur auf die vom Hersteller intendierte, ordnungsgemäße Nutzung des Produkts, sondern erstreckt sich auch auf diesbezüglichen „vorhersehbaren Missbrauch“ von Benutzern (und da müssen Sie in den UA mit allem rechnen…sonst gäbe es nicht all die „wacky warnings“, sehen Sie insoweit auch unseren US Blog www.usa-recht.de zu diesem Stichwort). Der Maßstab für entsprechende Überlegungen des Herstellers hinsichtlich der Art und des Umfangs von Warnhinweisen, welche den intendierten Nutzer des Produkts vor von dem Produkt ausgehenden Gefahren warnen soll, ist das herrschende und allgemein anerkannte beste wissenschaftliche und technische Wissen zur Zeit der Herstellung und des Inverkehrbringens des Produktes.
In einem entsprechenden Gerichtsverfahren reicht es daher für einen Hersteller im Regelfall nicht aus, sich auf die Einhaltung einschlägiger gesetzlicher Regelungen zu berufen, der Hersteller muss vielmehr darlegen, dass von ihm auch die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens seines Produkts veröffentlichten, branchenüblichen Industriestandards. Über den für das jeweilige Produkt anwendbaren Sicherheitsstandard können Sie sich beim American Standards Institute’s (ANSI)) erkundigen, einem nationalen Standardisierungs-Gremium in den USA, welches freiwillige Industriestandards (ähnlich DIN-Normen) entwickelt und publiziert.