Der DIHK lehnt die Einführung von Sammelkagen auf europäischer Ebene ab. Wie auch das Europäische Parlament hält der DIHK Sammelklagen, die mit einem opt-out-Verfahren ausgestaltet werden, für nicht akzeptabel. Solche Sammelklagen kosten z.B. die amerikanische Volkswirtschaft jährlich 250 Mrd. USD, das entspricht 2 Prozent des BIP. Ein Drittel der von Sammelklagen betroffenen Unternehmen müssen Insolvenz anmelden. In jedem Fall erleiden Unternehmen einen Imageschaden, selbst wenn sie unschuldig in Verdacht geraten. Die bisherige Diskussion hat erwiesen, dass es an effektiven Instrumenten mangelt, der Missbrauchsgefahr vorzubeugen. Unternehmen werden mit der bloßen Androhung einer Sammelklage erpressbar. Die Europäische Kommission hat am 4. Februar 2011 eine erneute Konsultation zum Thema Sammelklagen veröffentlicht. Die Konsultation soll zur Entwicklung eines kohärenten Ansatzes für den kollektiven Rechtsschutz in der Europäischen Union beitragen.
Die Europäische Kommission will im Rahmen ihrer öffentlichen Konsultation versuchen, gemeinsame Rechtsgrundsätze für den kollektiven Rechtsschutz in der EU zu bestimmen. Diskutiert werden u.a. gerichtliche Schadenersatz- oder Unterlassungsklagen, außergerichtliche und alternative Streitbeilegungsverfahren sowie Verbandsklagen.
Erfreulich ist das Bekenntnis der Europäischen Kommission zur Erforderlichkeit von Sicherheitsvorkehrungen, um missbräuchliche Klagen zu verhindern. Eine Kombination von Strafschadenersatzforderungen, Erfolgshonoraren, weitgehenden Beweiserhebungsmöglichkeiten und das Fehlen einer Beschränkung bei der Klagebefugnis, wie man es aus dem Sammelklagensystem in den USA kennt, sind nach Ansicht der Europäischen Kommission mit der europäischen Rechtstradition unvereinbar. Allerdings werden andere europäische Rechtstraditionen in Frage gestellt – wie etwa der Grundsatz, dass die unterlegene Partei die Verfahrenskosten zu tragen hat. Auffällig ist zudem, dass das sog. opt-out-Verfahren keine Erwähnung findet. Sammelklagen bergen jedoch gerade dann eine hohe Missbrauchsgefahr, wenn sie wie die class actions aus den USA mit einem sog. opt-out-Verfahren ausgestaltet werden. In die Gruppe der Kläger werden dabei auch Personen einbezogen, die nicht identifiziert sind und die nicht ausdrücklich widersprechen; die Klägergruppe kann auf mehrere Tausende oder gar mehrere Millionen Personen anwachsen. Das Europäische Parlament hatte sich erst am 20. Januar 2011 in der Entschließung zum Wettbewerbsbericht eindeutig zum Grundsatz der Einwilligung (opt-in) bekannt.
Die Konsultation geht nur zurückhaltend auf die Frage ein, wie bei bestimmten Finanzierungsformen missbräuchliche Klagen verhindert werden können. Auch wird die Möglichkeit diskutiert, einen staatlichen Ombudsmann mit der Durchführung von repräsentativen Klagen zu beauftragen. Ferner nennt die Europäische Kommission auch das sog. „Forum shopping“, bei dem sich die Kläger den für sich günstigsten Gerichtsstand auswählen können, als Missbrauchsgefahr
Die Europäische Kommission arbeitet seit einigen Jahren an europäischen Normen für den kollektiven Rechtsschutz im Bereich des Verbraucher- und Wettbewerbsrechts. 2005 legte sie ein Grünbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts vor, dem 2008 ein Weißbuch folgte. Beide Texte enthalten ein Kapitel über den kollektiven Rechtsschutz. 2008 veröffentlichte die Kommission zudem ein Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher. In der Kommissionssitzung vom 12. Oktober 2010 wurde noch keine Einigung hinsichtlich der mittelfristigen Ziele erreicht, die mit den Instrumenten erreicht werden sollen. In der Konsultation stellt die Europäische Kommission daher auch die Frage, ob sie ihre Arbeiten auf das Finanzdienstleistungs- bzw. das Umweltrecht ausweiten solle. Neben legislativen Maßnahmen wird auch ein Austausch von „best practice“-Beispielen als Option genannt.
Nächste Schritte:
Beiträge zu der Konsultation können bis 30. April 2011 eingereicht werden. Mitte 2011 wird die Europäische Kommission eine Mitteilung zu den allgemeinen Grundsätzen bei der Einführung von Instrumenten kollektiver Rechtsdurchsetzung vorlegen. Anschließend will die Europäische Kommission sektorspezifische Vorschriften entwerfen: So hat Wettbewerbskommissar Almunia bereits angekündigt, dass er bis Ende 2011 einen Richtlinienentwurf zur zivilrechtlichen (kollektiven) Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen bei Kartellverstößen vorstellen wird. Auch erwartet man, dass Verbraucherschutzkommissar Dalli einen Vorschlag zur Einführung von Sammelklagen bei Verstößen gegen Verbraucherrechte vorlegt. Binnenmarktskommissar Barnier hat zudem im Single Market Act angekündigt, die Einführung von Instrumenten kollektiver Rechtsdurchsetzung im Bereich des Anlegerschutzes zu prüfen.
DIHK-Forderung:
Der DIHK lehnt die Einführung von Sammelkagen auf europäischer Ebene ab. Wie auch das Europäische Parlament hält der DIHK Sammelklagen, die mit einem opt-out-Verfahren ausgestaltet werden, für nicht akzeptabel. Solche Sammelklagen kosten z.B. die amerikanische Volkswirtschaft jährlich 250 Mrd. USD, das entspricht 2 Prozent des BIP. Ein Drittel der von Sammelklagen betroffenen Unternehmen müssen Insolvenz anmelden. In jedem Fall erleiden Unternehmen einen Imageschaden, selbst wenn sie unschuldig in Verdacht geraten. Die bisherige Diskussion hat erwiesen, dass es an effektiven Instrumenten mangelt, der Missbrauchsgefahr vorzubeugen. Unternehmen werden mit der bloßen Androhung einer Sammelklage erpressbar.